(Nürnberg) Am 01.09.2009 tritt das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsaugleichs (VAStrRefG) in Kraft. Die Änderung dieses Gesetzes bringt einige Veränderungen mit sich, die für Rechtssuchende in Trennungs- und Scheidungssituationen von erheblicher praktischer Relevanz sein können und die je nach Lage des Einzelfalls nicht nur Vorteile sondern auch erhebliche Nachteile beinhalten.
Darauf verweist der Berliner Rechtsanwalt und Notar sowie Fachanwalt für Erb- und Familienrecht recht Norbert W. Kirsch. Landesregionalleiter „Erbrecht“ für Berlin der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. mit Sitz in Nürnberg.
•1. Änderungen zum Rentner-/Pensionistenprivileg (§§ 101 Abs. 3 SGB VI, 57 BeamtVG)
Das Rentner-/Pensionistenprivileg bedeutet nach dem bis zum 01.09.2009 geltendem Recht:
- Ist der zur Übertragung von Rentenanwartschaften Verpflichtete (also derjenige, der während der Ehe einen höheren Anspruch auf Rente durch Einzahlung erworben hat) bei Regelung des Versorgungsausgleiches bereits Rentner/Pensionär, der Ausgleichsberechtigte aber noch berufstätig, so wird die Rente beim Verpflichteten erst dann gekürzt, wenn der Ausgleichsberechtigte selber in Rente geht. Durch die Aussetzung der Kürzung bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte in Rente geht, können erhebliche Beträge eingespart werden, erhält grundsätzlich der Ausgleichspflichtige mehr Rente oder Pension.
Beispiel:
Frau A und Herr B werden am 01.08.2009 geschieden. Das Scheidungsurteil ist zugleich Endentscheidung über den Versorgungsausgleich. Herr B ist zur Übertragung von Rentenanwartschaften zugunsten von Frau A in Höhe von 150,00 EUR monatlich verpflichtet.
Herr B ist zum Zeitpunkt der Scheidung 66 Jahre alt, Frau A 52 Jahre alt. Herr B bezieht seit 01.05.2008 Rente. Frau A geht voraussichtlich am 01.01.2015 in Rente. In diesem Fall wird die Rente von Herrn B erst dann um 150,00 EUR monatlich gekürzt, wenn Frau A am 01.01.2015 Rente bezieht.
Durch das Rentnerprivileg hat Herr B einen nominellen Betrag von 9.750,00 EUR mehr zur Verfügung.
Dieses Rentnerprivileg fällt mit Inkrafttreten des neuen Rechtes am 01.09.2009 weg Ab dem 01.09.2009 gilt dann folgendes:
- Das Rentnerprivileg kann daher nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Scheidung und damit das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 01.09.2009 eingeleitet werden und Rente noch vor dem 01.09.2009 bezogen wird. Steht vor dem 01.09.2009 noch keine Rente zu, steht der Rentenbezug aber kurz bevor, so ist zu überlegen, ob nicht vorzeitig Rentenantrag gestellt wird, selbst wenn durch den vorzeitigen Bezug Abschläge hinzunehmen sind. Dies ist eine Frage des Einzelfalls, die gegebenenfalls mit Hilfe eines Rentenberaters zu klären ist.
2. Änderungen zum Unterhaltsprivileg (§ 5 VAHRG, nach neuem Recht: §§ 33, 34 VersAusglG)
Nach dem bis zum 01.09.2009 geltenden Recht kann der zur Übertragung von Rentenanwartschaften Verpflichtete, wenn er:
- – zugleich der ausgleichsberechtigten Person zum Unterhalt verpflichtet ist,
- – selbst Rente/Pension vor Durchführung des Versorgungsausgleiches bezieht,
- – die ausgleichsberechtigte Person noch keine Rente/Pension bezieht
beim Versorgungsträger einen Härtefallantrag stellen. In diesen Fällen wird die Kürzung der Rente solange ausgesetzt bis der Ausgleichsberechtigte selbst Rente bezieht.
Beispiel:
Frau A und Herr B werden mit Scheidungsurteil vom 01.05.2009 geschieden. Darin wird auch die nacheheliche Unterhaltsverpflichtung von Herrn B gegenüber Frau A geregelt. Herr B schuldet Frau A nachehelichen Unterhalt. Darüber hinaus ist er zur Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 1000,00 EUR verpflichtet.
Herr B ist seit 01.01.2009 Rentner und bezieht 2000,00 EUR Rente. Frau A geht voraussichtlich zum 01.01.2015 in Rente und hat ein Einkommen von 1000,00 EUR. Herr B kann jetzt einen Härtefallantrag (§ 5 VAHRG) beim Versorgungsträger stellen, so dass die Übertragung der Rentenanwartschaften in Höhe von 1000,00 EUR ausgesetzt wird bis zu dem Zeitpunkt, in dem Frau A Rente bezieht. Folge ist, dass Herr B zwar nun ein Unterhaltsrechtliches Einkommen von 2000,00 EUR erzielt und demzufolge 500,00 EUR nachehelichen Unterhalt zahlen muss, er aber anderenfalls 1000,00 EUR Rentenanwartschaften hätte übertragen müssen. Hier stehen dem Ausgleichsberechtigten monatlich 500,00 EUR mehr zur Verfügung.
Nach neuem Recht ist dies dann ab dem 01.09.2009 nicht mehr möglich. Die Aussetzung des Versorgungsausgleiches findet nur noch in der Höhe statt, in der Unterhalt geschuldet ist!
Das bedeutet für den Beispielsfall:
Die Rente des Herrn B wird nur um 500,00 EUR gekürzt, da die Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe des Unterhaltsanspruches von 500,00 EUR ausgesetzt ist. Folglich hat Herr B ein Einkommen von 1500,00 EUR (2000,00 EUR – 500,00 EUR VA Kürzung) und schuldet der Frau A jetzt nur noch 250,00 EUR Unterhalt.
Er verliert mithin 250,00 EUR Unterhalt + 500,00 EUR Kürzung der Rentenansprüche monatlich = 750,00 EUR. Im Gegensatz zum alten Recht führt alleine die Verpflichtung zum Unterhalt nicht mehr zur Aussetzung des gesamten Versorgungsausgleiches.
Abhilfe schaffen könnte eine vom Gericht allerdings zu genehmigende Vereinbarung, nach welcher die Durchführung des Versorgungsausgleiches ausgeschlossen wird, der oder die Ausgleichsberechtigte eine Abfindung zum Zweck der Bildung privater Rentenversorgung erhält und damit der Ausgleichverpflichtete seinen vollen Renten- oder Pensionsanspruch beibehält.
3. Im Einzelfall kann das neue Recht jedoch für beide Scheidungsparteien wirtschaftlicher sein
Sind in einem Scheidungsverfahren beide Beteiligte bereits Rentner/Pensionäre und sind (ggf. auch nur bei einer der Parteien) betriebliche Anwartschaften beteiligt, ist der Ausgleich nach den gesetzlichen Neuregelungen ab 1.9.09 wirtschaftlicher für beide Eheleute als es bei der derzeit noch gültigen Regelung der Fall ist. Demzufolge sollte in einem solchen Verfahren die Aussetzung des Versorgungsausgleiches oder das Ruhen des Verfahrens erreicht werden. Es ist ein Antrag an das Gericht zu stellen.
Zu prüfen, so betont Kirsch, sind also u. a. die folgenden Fragen:
- 1. Ist noch rechtzeitig vor dem 1.9.09 unbedingt ein Scheidungsantrag zu stellen?
- 2. Kann die Aushöhlung des Unterhaltsprivilegs durch Verzicht auf den Versorgungsausgleich und wirtschaftlichere private Rentenbildung zugunsten des Ausgleichsberechtigten vermieden werden?
- 3. Ist bei laufendem Verfahren evtl. wegen besserer Rechtslage nach dem 1.9.09 im konkreten Einzelfall ein Aussetzungsantrag zum Versorgungsausgleich zu stellen, damit das neue Recht anwendbar wird?
Jeder Fall ist selbstverständlich nur individuell zu entscheiden. U.U. ist ein Rentenberater hinzu zu ziehen.
Kirsch empfahl in diesen Fällen eine umfangreiche rechtliche Beratung, wobei er u. a. auch auf die bundesweit mehr als 700 auf Erbrecht, Erbschaftsteuerrecht und Scheidungsrecht spezialisierten Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater in der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. – www.dansef.de – verwies.
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Norbert W. Kirsch
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