OLG München, Beschluss vom 06.08.2020, AZ 1 VA 33/20
Ausgabe: 08-2020Betreuungsrecht
Aktenübersendung an die Staatsanwaltschaft durch das Betreuungsgericht
1. Ersucht die Staatsanwaltschaft in einem bei ihr anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren um Amtshilfe durch Übersendung der gerichtlichen Akten eines Betreuungsverfahrens, das für die beschuldigte Person geführt wird, so bedarf es wegen des Gesetzesvorbehalts für Grundrechtseingriffe einer einfach-gesetzlichen Vorschrift sowohl für das Amtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft als auch für eine dem Ersuchen ganz oder teilweise entsprechende Aktenübermittlung (sog. „Doppeltürmodell“ im Anschluss an BVerfGE 130, 151 [184]).).
2. Eine Befugnis der Justizverwaltung zur Übermittlung der Betreuungsakte an die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Amtshilfe besteht – wenn keine spezialgesetzlichen Bestimmungen einschlägig sind – im Rahmen der durch die maßgeblichen datenschutzrechtlichen Vorschriften gezogenen Grenzen.
3. Gemäß Art. 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) trägt die ersuchende öffentliche Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung, während der ersuchten Stelle regelmäßig lediglich die Prüfung obliegt, ob das Ersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt.
4. Die ersuchte Justizbehörde ist jedoch gemäß Art. 5 Abs. 4 Satz 3 BayDSG verpflichtet, selbst in die Prüfung der materiellen Zulässigkeit der Aktenübermittlung einzutreten, wenn ein besonderer Prüfungsanlass gegeben ist.
5. Ein besonderer Prüfungsanlass in diesem Sinne besteht mit Blick auf die Sensibilität der in Betreuungsakten üblicherweise gesammelten Daten regelmäßig bereits wegen des Gewichts eines mit der Aktenübersendung verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten.
Weitere Informationen: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/…