(Nürnberg) Am 01.09.2009 soll aller Voraussicht nach ein neues Versorgungsausgleichsrecht in Kraft treten. Hierbei steht das neue Recht unter dem Anspruch, den Ausgleich zum Zeitpunkt der Scheidung vollständig durchzuführen und gleichzeitig den Ehefrauen einen werthaltigeren Anspruch, insbesondere im Rahmen der Aufteilung der betrieblichen Altersversorgung, zu verschaffen.
Der Versorgungsausgleich, so erläutert der Nürnberger Fachanwalt für Familienrecht Martin Weispfenning, Geschäftsführer der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. mit Sitz in Nürnberg, regelt die Verteilung von Rentenansprüchen zwischen den Eheleuten nach einer Scheidung. Rentenansprüche können dabei im In- und Ausland, so etwa in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Beamtenversorgung oder einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge entstehen. Scheitert eine Ehe, so Weispfenning, werden die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsansprüche geteilt. Mit der Reform des Jahres 2009 soll der Versorgungsausgleich grundlegend neu geregelt werden, um eine gerechtere Aufteilung der Rentenansprüche anlässlich der Scheidung sicherzustellen.
Derzeit, so erläutert hierzu das Marburger DANSEF Mitglied, Fachanwältin für Familienrecht Gisela Falk, werden im Falle der Scheidung die von den Ehegatten erworbenen Versorgungsanrechte geteilt. Damit ist gewährleistet, dass auch die Ehefrau, die zum Beispiel nicht berufstätig war und sich der Kindererziehung und der Führung des Haushaltes gewidmet hat, eine Altersversorgung erhält. Deshalb muss der Ehemann von seinen Renten, die er während der Ehezeit erwirtschaftet hat, in der Regel seiner Ehefrau die Hälfte abgeben. Damit wird die soziale Sicherung der ausgleichsberechtigten Person im Alter entscheidend verbessert. Sie ist nicht unbedingt auf staatliche Hilfen angewiesen. Dieses Konzept hat sich dem Grunde nach bewährt. Nur die Umsetzung, so betont Falk, habe zu erheblichen Schwierigkeiten und auch Ungerechtigkeiten geführt.
Der Versorgungsausgleich geht derzeit davon aus, dass hauptsächlich Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Beamtenversorgung geteilt werden müssen. In den letzten Jahren sind jedoch immer mehr die betriebliche und auch die private Altersversorgung in den Vordergrund getreten. Insbesondere die Politik fordert dazu auf, die drohende Rentenlücke durch private Vorsorgeverträge zu schließen. Der Ausgleich dieser Versorgungen bereitet dem derzeitigen Ausgleichssystem erhebliche Schwierigkeiten und führt zu Ungerechtigkeiten auf Seiten der Ausgleichsberechtigten.
Dazu ein Beispiel:
- Beide Eheleute haben Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der Ehemann hat zusätzlich eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen. Der Ausgleich der gesetzlichen Rente bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Die betriebliche Versorgung muss zu diesem Zweck mit der gesetzlichen Rente vergleichbar gemacht werden. Dies geschieht durch Umrechnung mittels der sogenannten Barwertverordnung. Das kann dazu führen, dass aus einer tatsächlichen Betriebsrente von 500,00 € durch Angleichung eine solche in Höhe von lediglich 60,00 € wird, von der die Ehefrau nur 30,00 € erhält. Dem Ehemann verbleiben bei Rentenantritt jedoch die restlichen 470,00 €.
Dies, so betont Falk, sei sicherlich nicht gerecht und mit dem Halbteilungsgrundsatz nur schwer vereinbar. Hinzu komme, dass derzeit in der Regel hohe betriebliche oder beamtenrechtliche Versorgungen zum Zeitpunkt der Scheidung überhaupt nicht ausgeglichen werden können. Es kommt sodann zu einem sogenannten „schuldrechtlichen Versorgungsausgleich“. Dazu muss der Ausgleichsberechtigte zu einem späteren Zeitpunkt, wenn beide Eheleute berentet werden, einen weiteren Antrag beim Familiengericht stellen. Das kann durchaus 15 bis 20 Jahre nach der Scheidung sein. Ohne einen solchen Antrag geschieht nichts, betont Familienrechtsexpertin Falk, da die Renten nicht automatisch ausgeglichen werden.
Dabei sei auch von Bedeutung, dass sich viele Berechtigte nicht darüber im Klaren sind, was Sie mit dem Scheidungsurteil eigentlich in der Hand halten. Im Scheidungsverfahren, so Falk, ergeht in der Regel kein Hinweis auf die Höhe dieser Ansprüche und auch nicht darauf, dass der oder die Berechtigte bei Renteneintritt erneut das Versorgungsausgleichsverfahren wieder aufnehmen muss. Hinzu komme, dass sich viele berechtigte Ehefrauen scheuen, viele Jahre nach der Scheidung nochmals mit dem bereits geschiedenen Ehepartner erneut zu streiten. Eine große Zahl vergisst auch schlicht, die Ansprüche geltend zu machen. Die zusätzlichen Renten verfallen, obwohl die Berechtigten sie eigentlich gut gebrauchen könnten.
Der Gesetzgeber hat die Ungerechtigkeit und die Kompliziertheit des Gesetzes erkannt und den Versorgungsausgleich nunmehr grundlegend reformiert. Aller Voraussicht nach, so Falk, wird das Gesetz zum 01.09.2009 in Kraft treten. Künftig wird es keinen Einmalausgleich über die gesetzliche Rentenversicherung mehr geben. Damit entfällt auch die Vergleichbarmachung der unterschiedlichen Altersversorgungen. Der neue Versorgungsausgleich teilt jedes Versorgungsanrecht innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems. Hat der Ausgleichspflichtige z. B. eine Beamtenversorgung des Bundes oder eine betriebliche oder private Altersversorgung, erhält der Ausgleichsberechtigte dort eigene Anwartschaften begründet, obwohl er niemals dort tätig war. Es gibt daher künftig nicht mehr nur einen Berechtigten und einen Verpflichteten im Rahmen des Versorgungsausgleichs. Vielmehr wird es so viele Ausgleichspflichtige wie Versorgungen im Versorgungsausgleich geben.
Daneben, so Falk, soll auch der spätere schuldrechtliche Versorgungsausgleich stark zurückgedrängt werden. Die Rentenanwartschaften werden künftig in die Regel vollständig zum Zeitpunkt der Scheidung geteilt. Lediglich in Ausnahmefällen ist noch der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchzuführen. Die Eheleute müssen sich daher in Zukunft nicht nach Jahren noch einmal über die Fragen des Versorgungsausgleichs auseinandersetzen. Das derzeit bestehende alte Recht ist auf einen Versorgungsausgleich anzuwenden, wenn das Scheidungsverfahren vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts eingeleitet wird. Bereits heute müssen in der Beratung der Beteiligten die Vor- und Nachteile des neuen Rechts genau abgewogen werden. Oftmals wird das neue Recht für die Berechtigten günstiger sein. Es stelle sich dann die Frage, ob mit der Stellung des Scheidungsantrags noch besser gewartet wird, oder ob gegebenenfalls durch entsprechende Anträge in einem bereits anhängigen Scheidungsverfahren versucht wird, den Versorgungsausgleich ins neue Recht zu transferieren.
Künftig soll der Versorgungsausgleich bei kurzen Ehen bis zu 2 Jahren komplett entfallen, betont Falk. Auch für den Fall nur geringer Ausgleichswerte wird künftig kein Versorgungsausgleich durchgeführt. Dem Gesetzgeber war in diesem Zusammenhang sehr an der Vereinfachung des Verfahrens gelegen. Darüber hinaus werden künftig auch Kapitalzusagen betrieblicher Altersversorgungen im Versorgungsausgleich und nicht mehr wie bisher im Zugewinnausgleich berücksichtigt. Die geplante Gesetzesänderung wird die Durchführung des Versorgungsausgleichs sicher vereinfachen und gerechter gestalten. Gleichzeitig werden die beteiligten Rechtsanwälte in größerem Umfang die Berechnungen der einzelnen Versorgungsträger zu überprüfen haben. Letztlich hat der Gesetzgeber mit dem neuen Recht die Möglichkeit geschaffen, so Falk, umfangreichere Vereinbarungen im Rahmen von Eheverträgen oder Scheidungsfolgenvereinbarungen zu treffen. Es bestehe damit ein größerer Spielraum für die Parteien, da künftig die Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich lediglich der Inhalt und Ausübungskontrolle unterliegen und nicht von einer Genehmigung des Familiengerichts abhängig sind.
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