BGH, Beschluss vom 21.09.2022, AZ XII ZB 150/19
Ausgabe: 11-2022Familienrecht
a) Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212). b) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in – 2 – die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Während die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Sorge nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich bei ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig ist, können weniger einschneidende Eingriffe, zu denen die im Katalog des § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB exemplarisch aufgeführten Maßnahmen zählen, bereits im Fall einer nicht überwiegend wahrscheinlichen Gefahr angemessen sein, soweit es um die Abwehr einer massiven Rechtsgutbeeinträchtigung geht (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212). c) Wird durch eine auf § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB gestützte Schutzanordnung der persönliche Umgang des Elternteils mit dem Kind eingeschränkt oder ausgeschlossen, muss sich diese Anordnung auch an den Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB messen lassen.
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