OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.08.2019, AZ 8 UF 102/19
Ausgabe: 02-2020Erbrecht
Voraussetzungen einer Volljährigenadoption bei Unternehmensnachfolge
1. Das familienbezogene Motiv muss für eine Volljährigenadoption der entscheidende Anlass sein. Jedenfalls im Zusammenhang mit weiteren persönlichen Gründen ist die Adoption eines Anzunehmenden, der sich seit zwölf Jahren als Geschäftsführer des Unternehmens uneingeschränkt bewährt hat und dem Annehmenden vielfach persönlich eng verbunden ist, auch unter dem Aspekt, dass der Annehmende den Wunsch verfolgt, einen Erben zur Fortführung seines unternehmerischen Lebenswerkes zu haben, sittlich gerechtfertigt. Unter diesen Voraussetzungen ist es unschädlich, dass der Annehmende und der Anzunehmende mit der Annahme möglicherweise Nebenzwecke wie etwa eine Steuerersparnis oder eine Verringerung des Pflichtteils des leiblichen Kindes des Annehmenden erreichen wollen.
2. Ein Altersabstand des Annehmenden von fünfzig Jahren entspricht noch in etwa dem zwischen Eltern und leiblichen Kindern. Tatsächlich war und ist es nicht unüblich, dass Männer im Alter von 50 Jahren und älter Vater werden.
3. Das Vorhandensein einer eigenen intakten Familie mit Kindern bzw. Eltern spricht zwar unter Umständen grundsätzlich gegen das Bestehen oder Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Erwachsenen; davon sind jedoch bei besonders enger Verbundenheit des Annehmenden und des Anzunehmenden Ausnahmen möglich. Im Übrigen bestimmt § 1770 Abs. 2 BGB ausdrücklich, dass die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen und seiner Abkömmlinge zu ihren Verwandten durch die Annahme nicht berührt werden, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. Anders als bei der Minderjährigenadoption (§ 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB) scheidet der angenommene Volljährige damit nicht aus seiner bisherigen Familie aus (bleibt also etwa gesetzlicher Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigter beim Tod seiner bisherigen Eltern).
4. Die Annahme eines Volljährigen darf gem. § 1769 BGB nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen. Bei der Annahme eines Volljährigen sind auch die vermögensrechtlichen Interessen der Beteiligten zu beachten, etwa wenn die Annahme das Erbrecht oder sonstige Vermögensinteressen vorhandener Kinder unangemessen beeinträchtigt, wobei die Vorschrift den Kindern des Annehmenden nicht den wirtschaftlichen Status quo garantiert. Im Ausgangspunkt bleibt das leibliche Kind bei einer Volljährigenadoption ungeachtet der Annahme des Anzunehmenden das Kind des Annehmenden; es wird also nicht etwa „verstoßen“. In wirtschaftlicher Hinsicht sind das Alter des Kindes, seine wirtschaftliche (Un-)Abhängigkeit und das ihm für den Fall einer Erbschaft oder jedenfalls aufgrund eines Pflichtteils noch zufallende Vermögen gegen die bedeutenden Interessen des Annehmenden und des Anzunehmenden an der Annahme, insbesondere an der damit verbundenen angemessenen rechtlichen Gestaltung ihrer engen persönlichen Bindung und der Sicherung der Unternehmensnachfolge, abzuwägen.
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